Notizen zu Beethovens 5. Sinfonie © Hartmut Haenchen
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Uraufführungs-Situation
Beethoven hatte
es aus Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung seiner Pläne als
sein Abschiedskonzert von Wien geplant. Eine Voraufführung im Palais Lobkowitz
war dieser Uraufführung im kleinsten Kreise vorausgegangen. Der Raum ist
heute noch zu besichtigen und es ist beinahe unvorstellbar, wie die Sinfonie
selbst mit kleinster Besetzung geklungen haben muß, denn der "Saal" ist
etwa nur 80 qm. Schlüsse auf die Aufführungspraxis daraus zu ziehen, scheint
mir unsinnig. Es ging wohl darum, daß Fürst Lobkowitz, der einzige Gönner
der neben Rasumowsky in dieser Zeit noch zu Beethoven hielt und denen
die Sinfonie gewidmet ist, das Vorrecht genießen sollte, die Sinfonie
als Erster zu hören, bevor sie einem größeren Publikum vorgestellt wurde.
Es fällt auf,
daß die typische Steigerungsform der Phrasierung von der Kleingliedrigkeit
zur Großflächigkeit aus strichtechnischen Gründen nie berücksichtigt wird.
Sie kann nur durch unterschiedliche Striche der Streichergruppen erreicht
werden. Das betrifft zahlreiche andere Stellen, die in den alten Ausgaben
richtig stehen, die aber aus strichtechnischen Gründen immer falsch artikuliert
werden. Durch die oben genannte Methode erreichen wir wieder die originale
musikalische Idee. In den alten Ausgaben bemühte man sich, scheinbare musikalische Logik herzustellen, indem man Artikulationen zwischen Streichern und Bläser anglich. Daß man dadurch klangliche Strukturen zerstörte, war den am romantischen Ideal geschulten Herausgebern nicht klar. So gibt es eine
bemerkenswerte Stelle, wenn die Holzbläser das 2.Thema vorsichtig anklingen
lassen, bevor es seinen triumphalen Charakter erhält. Die Holzbläser
binden nicht über den Taktstrich wie die Streicher, die nur eine Floskel
des Themas mitspielen. Dadurch wird trotz des "dolce" eine bestimmtere
Struktur des Themas deutlich. Noch deutlicher wird das in der 4.Variation,
in der die Holzbläser das Gegenthema nicht legato spielen sollen, sondern
einen deutlichen Kontrast zu den Linien der Streicher bilden müssen. 3.Satz Auch hier finden wir Fehler ähnlicher Art. Der falsche Druck des Sforzato-Pianos im Takt 13 führt zu einem veränderten Charakter der einleitenden Baß-Linie. Dieses angebliche Forte-Piano ist ein Sforzato-Diminuendo-Piano und hat dadurch einen vielmehr ausschwingenden Charakter. Auch die großflächigen
Bögen sind wieder der Angleichung mit den Bläsern zum Opfer gefallen.
In keinem Satz
sind so viele Fehler in den alten Ausgaben überliefert, wie in diesem.
Gemessen an der vorwiegenden Aufführungstradition (übrigens berücksichtigen die meisten so genannten "authentischen" Aufführungen Beethovens Angaben nicht) ergibt sich für den ersten Satz ein sehr schnelles Tempo, welches weit entfernt von Furtwänglers Tempo-Idee ist. C. Kleiber hat für mein Gefühl das Ideal für diesen Satz gefunden. Der zweite Satz ist wirklich mit der Bemerkung "con moto" flüssig zu nehmen. Der Übergang vom 3. zum 4.Satz ist immer ein Prüfstein der Interpretation. Normalerweise hört man die beiden Allegri des 3. und 4.Satzes im gleichen Grundschlag. Tatsächlich gibt aber Beethoven ein schnelleres Tempo für den 3.Satz und ein ruhigeres für den 4.Satz an. Besonders auffällig ist das, wenn als Tempo primo der 3.Satz zurückkehrt, wo die (falsche) Aufführungstradition sogar eine Verlangsamung des Tempos vornimmt und Beethoven eindeutig die Beschleunigung zum Scherzo-Tempo wollte. index |